Fetish: Made in Germany
Fetish: Made in Germany
Deutschland ist neben den USA das Land der Erfinder und Innovatoren. Es gibt kaum ein Land, in dem so viele Patente angemeldet werden wie in der Bundesrepublik. Und auch im Bereich Sex und Fetisch gibt es deutsche Startups, die ihre Vision vom eigenen Unternehmen verwirklichen. Wir stellen euch heute drei Startups vor, die ihre Ideen mit viel Energie und Zeit umsetzen.
Beginnen wir mit einem Newcomer der BDSM-Szene: Dungorium. Die Produktion in München hat sich auf hochwertige Toys aus dem Bereich BDSM, Bondage, Kink und Fetisch spezialisiert. Florian, einer der Gründer, hat sich zu einem Interview bereit erklärt. Wie kam es zur Idee der Gründung einer Fetisch-Produktion?

Wir als Gründer kannten uns schon lange und waren bereits seit vielen Jahren im Bereich BDSM selbst aktiv. Aus dem privaten Experimentieren mit neuen kreativen SM Toys entstand irgendwann die Idee, diese Produkte einer größeren Anzahl Gleichgesinnter zugänglich zu machen.
Doch BDSM-Shops gibt es viele, was macht euch so besonders?
Bei uns gilt der Grundsatz: "Bei Dungorium gibt es Produkte, die es nirgendwo anders gibt". Wir haben aber immer die Anfangsvision im Auge behalten, auch eigene innovative Ideen in marktfähige Produkte umzusetzen.
Hättet Ihr ein Beispiel für unsere Leser?
Hauptspielwiese der Produktentwicklung ist derzeit das Baukastensystem Dungotube, mit dem sich aus Einzelelementen BDSM Spielwelten aufbauen und immer wieder verändern lassen. Ein Produkt aus diesem System ist beispielsweise der Dungocage Käfig, der von Dungorium zum unschlagbaren Einführungspreis angeboten wird. Jeder kann das System mit unseren Zusatzprodukten so erweitern, wie er es möchte. Heute gibt es unsere Produkte in einem respektablen Onlineauftritt mit vielen Möglichkeiten für die Kunden.
Was sind eurer Meinung nach die größten Herausforderungen und Probleme, ein fetischorientiertes Unternehmen in Deutschland aufzubauen?
Nach unseren Erfahrungen ist immer noch ein großes Problem, dass Fetisch und SM oft in eine Schmuddelecke gestellt werden und eine Unterscheidung von BDSM und Gewalt nicht gemacht wird. Dies fängt bei den Presseportalen an, die sachliche Texte zum Thema ohne Ablehnungs-Email (wie ich das von anderen Projekten kenne) einfach löschen.

Dass Themen zu BDSM immer noch in einem falschen Licht stehen, kennen wir auch. Sind die größeren Verkaufplattformen mittlerweile durch Fifty Shades of Grey & Co. Mittlerweile weltoffener zum Thema BDSM?
Portale wie Amazon und ebay löschen Produkte und sperren Accounts, wenn man ganz einfache Fesseln verkauft, jedoch weder erotischen Bilder, noch Texte verwendet. Bilder mit gefesselten Personen werden als Gewaltdarstellung eingestuft, Computer-Kriegsspiele aber als nicht jugendgefährdend. Hier gibt es in Deutschland noch viele Schwierigkeiten, gerade mit der Auslegung des Jugendschutzes, die Shops in anderen Ländern nicht haben, z.B. mit Sitz in den Niederlanden oder USA.
Kommen wir zu einem zweiten Newcomer der Szene. Der Startup-Inhaber Tim hat das Fetishlabel Tysk Berlin gegründet und vertreibt selbst geschneiderte modische Leder-Fetischkleidung und BDSM-Zubehör. Fetisch und Mode, kann das zusammenpassen?
Fetisch und Mode: Dies sind schon lange keine Gegensätze mehr. Doch nicht nur auf dem Laufsteg sieht man zunehmend entsprechende Einflüsse, auch im Alltag stehen immer mehr vor allem junge Leute zu ihren Neigungen und verbinden damit anstatt schmuddeliger Dinge etwas neues und positives als ganz selbstverständlichen Teil ihres Lebensgefühls. Genau hier kommt Tysk ins Spiel.

Wie kam es zu dieser Idee?
Der Gedanke dazu kam dem Gründer während seiner Ausbildung zum Schneider und Modelmacher, während der er sich neben den üblichen Hosen, Blusen und Röcken auch an Leder versuchte. Einerseits aus Interesse daran, den eigenen Fetisch einmal auch auf diese "praxisnahe" Weise kennenzulernen, aber auch, weil ein selbstgefertigtes Halsband den Geldbeutel durchaus entlasten kann. Nach den ersten Versuchen folgten bald komplexere Dinge wie Hosen, Jacken und Hemden. Von da an dauerte es nicht mehr lange, bis Freunde und Bekannte auch darum baten, das eine oder andere Stück auf den Leib geschneidert zu bekommen. Die Mundpropaganda erledigte den Rest und es reifte die Idee, daraus etwas Eigenes, Tragfähiges zu machen: Die Idee zu Tysk war geboren.
Mode und vor allem auch Lederbekleidung gibt es ja bereits reichlich. Was macht euch besonders?
Der Anspruch ist, all jenen Leuten etwas bieten zu wollen, die lieber ein perfekt angepasstes Einzelstück haben möchten, anstatt Stangenware in vorgegebenen Größen. Das Wichtigste dabei ist die Möglichkeit zur kompletten Individualisierung. Alle Details, wie Taschen, Paspeln, Farben, Nähte und vieles mehr kann beliebig an die Wünsche des Kunden angepasst werden. Und für ausgefallene Wünsche ist es auch möglich, gemeinsam eine Lösung zu entwickeln, von dem ersten, vielleicht noch vagen Einfall des Kunden, bis hin zu einem ausgereiften und durchdachten Produkt.
Das heißt, ihr habt euch speziell auf Fetischkleidung für die Lederszene spezialisiert?
Nein, es soll eben nicht ausschließlich um Kleidung für den Darkroom oder den alljährlichen Pflichtauftritt zur Folsom gehen. Vielmehr sieht Tysk den Übergang zu Mode und Streetwear fließend. Und so finden sich in der aktuellen, komplett für den jeweiligen Geschmack adaptierbaren Kollektion auch Jacken, Taschen und Accessoires, die man getrost als "Alltagstauglich" bezeichnen könnte. Der Clou: Einige der Taschen und Hosen sind aus gebrauchtem Leder hergestellt. Dadurch wird nicht nur altes Material neu genutzt, sondern es entstehen auch authentische Einzelstücke. Fetisch und Mode Hand in Hand, mit einem jungen, frischen Dreh für all jene, die sich mit sich und ihrem Fetisch wohlfühlen und diesem mit einem ganz besonderen Stück Ausdruck verleihen wollen.

Was sind denn deiner Meinung nach die größten Herausforderungen ein Unternehmen aufzubauen, das fetischorientiert ist?
Ich denke nicht dass die grundlegenden Probleme für eine fetisch-orientierte Marke in Deutschland allzu verschieden von den Herausforderungen sind, denen sich jedes junge Unternehmen gegenübersieht. Eine Besonderheit, die sich jedoch auswirkt stellt der Standort Berlin dar. Die große und gut entwickelte Szene bietet einerseits einen großen potentiellen Markt, andererseits gibt es bereits reichlich Anbieter auf diesem weiten Feld. Die Aufgabe besteht also darin, eine Nische zu besetzen und etwas Besonderes zu schaffen.
Boundstyle sollte einst ein Unternehmen werden, doch der Inhaber Chris hat sich dagegen entschieden. Seit einigen Jahren schneidert Chris Kleidung aus Latex. Mit einem eigenen Shop startete er vor drei Jahren durch, doch heute gibt es ihn nicht mehr. Was ist passiert?

Latex ist mein Fetisch und ich habe neben meinem Beruf immer wieder Latexkleidung geschneidert und selbst erstellt. Hinzu kam einiges an Fesselmaterial, also Fessel auf Industriegummi und zahlreiches Zubehör. Als ich Kontakt mit den ersten Kunden hatte, merkte ich schnell, dass Kunden heute eines wollen: Billig Billig Billig. Wer jedoch schon einmal Latexkleidung hergestellt hat, der weiß, dass nicht nur das zu verarbeitende Material einiges kostet, sondern dass die Verarbeitung sehr lange dauert, bis das Ergebnis perfekt ist.
Qualität hat seinen Preis, das ist heutzutage in allen Lebenslagen der Fall. Legen die Leute heute keinen Wert mehr auf gute Qualität oder worin besteht das Problem?
Ich würde sagen, dass der Großteil der Kunden heute wirklich keinen Wert mehr auf Qualität legt. Die Kunden kaufen billige Handfesseln von den großen Erotikshops, die sie wiederum nur in China einkaufen. Da gibt es Handfesseln für 20 Euro zu kaufen, da kauft sie bei mir keiner für 40. Man bekommt gerne zu hören, dass man einen übertriebenen Perversenaufschlag hätte. Und Kunden fragen auch noch ganz dreist, ob ich ihnen meine Produkte nicht für 20 Euro verkaufen könnte.
Das war nun erst einmal auf die Fesseln bezogen, damit ist der Markt tatsächlich überflutet. Wie sieht es mit Kleidung aus Latex aus?
Auch hier ist der Preis das entscheidende Kriterium. Durch meine Kontakte bemerkte ich schnell, dass selbst die großen Latexshops viele Stücke gar nicht selbst produzieren, sondern in Osteuropa. Dort werden die Leute ausgebeutet, damit die Kleidungsstücke dann hier wettbewerbsfähig sind. Ich finde, es ist ein Unding, dass die Firmen mit Fetisch Made in Germany werben, obwohl sie vieles nicht hier produzieren.
Was war der Weg aus diesem Dilemma?

Ich habe mich recht schnell dazu entschieden, nicht mehr kommerziell in Wettbewerb mit den anderen zu treten. Denn es macht keinen Spaß und ich bin mir selbst auch zu schade, für unter 10 Euro die Stunde Fetischkleidung anzufertigen. Daher habe ich mich dazu entschieden, den Kunden nichts mehr zu verkaufen. Stattdessen habe ich meinen Blog Boundstyle ins Leben gerufen, auf dem ich Interessierten zeige, wie sie selbst eigene Latexkleidung herstellen können. Klar, ich bin kein Profi, aber ich konnte viel Erfahrung mit der Herstellung von Latexkleidung sammeln. Heute bastel ich Kleidungsstücke nur noch für mich, mehr Zeit bleibt leider nicht. Auch heute bekomme ich immer wieder Anfragen, ob ich nicht Latexkleidung für einen schmalen Taler herstellen könnte. Ich mache es für andere schlichtweg nicht mehr. Dafür gibt es nun knapp 50 Anleitungen, die ich nach und nach erstellt habe. Meiner Meinung nach ist das ein guter Weg, dann können die Sparfüchse tatsächlich selbst ihre Kleidung aus Latex herstellen. Dass das aber nicht einfach ist, erfahren sie dann selbst.
Also ist dein entstandener Boundstyle-Blog nun nur noch ein Hobby?
Ganz genau. Es kommt durch Werbepartner auch ab und an Geld herein, das reicht aus, um meinen Fetisch finanzieren zu können. Leben könnte man davon keineswegs, aber das muss ja auch nicht sein, dafür habe ich meinen normalen Job, bei dem ich auch fair bezahlt werde.
Du gelangst hier direkt zum Fetisch-Blog von Boundstyle: www.boundstyle.de
Fazit
Wie wir sehen, gehört zum Gründen einer Fetischfirma nicht nur der Erfolg. Man muss auch gut damit umgehen können, zu scheitern. Die Gesetzeslage macht es deutschen Manufakturen für Fetischkleidung und BDSM-Zubehör nicht einfach. Ein hemmender Faktor ist und bleibt der deutsche Jugendschutz und das fehlende Bewusstsein, dass BDSM nichts mit Gewalt zu tun hat.
Ebay hat sich jahrelang gegen Erotikartikel entschieden. Wer dort lediglich einen Dildo verkaufen wollte, dessen Account wurde schnell gesperrt. Mittlerweile dürfen ausgewählte Onlineshops Erotikprodukte verkaufen, doch als Startup zu den Auserwählten zu gehören, ist nicht einfach.
Vielen Dank an unsere Partner, die sich dazu bereit erklärt haben, ein paar interessante Worte an unsere Leser zu richten. Wir wünschen allen Partnern und Startups viel Erfolg für die Zukunft.