Der illegale Handel mit dem Sperma: So werden junge Homosexuelle gezielt manipuliert
Der illegale Handel mit dem Sperma: So werden junge Homosexuelle gezielt manipuliert
Max (Name geändert), ist 19 Jahre alt und vertreibt seine Zeit oft in schwulen sozialen Netzwerken. Er ist selbst schwul und Single, macht eine klassische Ausbildung und verdient dabei noch nicht sonderlich viel. Das ist in diesem Alter auch normal.
Im Internet schreibt er immer wieder mit Unbekannten. Manche sind in seinem Alter, andere deutlich älter. Er schreibt zwar nicht mit jedem, aber er ist loyal genug, um auch mal einen Smalltalk mit Älteren abzuhalten. Und dabei muss es gar nicht immer um Sex gehen, sondern auch einfach um das tägliche Leben, gemeinsame Hobbys oder was auch immer.
An einem Mittwochabend erhält Max diese Nachricht:
„Hallo, schönes Profil hast du da. Ich habe eine ungewöhnliche Frage an dich. Ich stehe auf fremdes Sperma. Das soll dich jetzt nicht weiter abschrecken. Aber würdest du dir für mich einen wixen und mir dein Sperma in einem Kondom zuschicken? Ich zahle dir dafür 100 Euro, auch direkt per Paypal.“
Die Nachricht liegt uns genau so im Original vor. Max ist zögerlich, aber 100 Euro kann er eigentlich gut gebrauchen. Aber mit Paypal hat er in der Vergangenheit schön öfter schlechte Erfahrungen gemacht. Wie kann er sicher sein, dass das Geld auch wirklich bei ihm ankommt? Und außerdem entstehen Paypal-Gebühren, die er nicht zahlen will. Er fragt nach und erhält als Antwort:
„Darum musst du dir keine Sorgen machen. Ich zahle dir das Geld als Freundschaftsüberweisung. Damit hat keiner Gebühren und für mich gibt es auch keinen Käuferschutz, um Geld zurückzubuchen. Gerne würde ich dir auch regelmäßig dein Sperma abkaufen. Es macht mich total an.“
Schön, denkt Max. Er sendet dem Unbekannten seine Paypal-Adresse und nach 3 Minuten ist das Geld schon auf seinem Konto: 103 Euro. Per Nachricht erhält er die Adresse, wohin er das gefüllte Kondom senden soll. Ein Postfach in Frankfurt am Main. Die zusätzlichen 3 Euro seien für das Porto.
Max bucht das Geld schnell noch auf sein Bankkonto. Denn sicher ist sicher, denkt er sich. Und dann legt er auch schon los, füllt genüsslich das Kondom mit seinem Sperma, packt es in einen Umschlag und dann ab damit in den Briefkasten. Er findet das zwar selbst irgendwie kurios. Aber schnell verdientes Geld, wer würde da nicht zugreifen?
Ein paar Tage später bedankt sich der Unbekannte und möchte mehr, mehr Sperma. Es gibt jedes Mal 100 Euro. Das macht Max einige Wochen lang und hat einen richtig netten Nebenverdienst, der ihm fast mehr einbringt als das Lehrgeld in seiner Ausbildung. Zwischendurch fragt der Unbekannte immer mal wieder ein paar private Dinge. Ob denn die Altersangabe in dem Chatprofil stimme oder ob die Bilder echt seien. Da Max es nicht nötig hat, Faker zu spielen, sind seine Angaben echt.
2 Jahre später: Max hat mittlerweile einen festen Freund. Sie liegen in der Nacht von Montag zu Dienstag wieder einmal gemeinsam im Bett und schlafen. Doch nachts um 4 Uhr knall es, 7 bewaffnete BKA-Beamte stürmen die Wohnung. Max wird festgenommen. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl wegen sexuellem Missbrauch und Mord vor. Bis zum Prozessbeginn in zwei Wochen kommt er in Untersuchungshaft. Max wüsste von nichts. Was war geschehen?
Der Weg der Kriminellen
Die fiktionale Geschichte klingt zunächst unglaublich. Aber was ist hier genau passiert? Wir haben einen White-Hacker zu Gast, der sich mit kriminellen Machenschaften beschäftigt. Er möchte anonym bleiben. Denn sein Wissen und seine Ideen sind für Kriminelle Gold wert. Von ihm werden Pfade rekonstruiert, um zu verstehen, was in diesem Szenario passiert war. Zunächst ein kurzer Faktencheck:
Was macht man als White-Hacker?
Unter dem Hacken verstehen die Leute im Allgemeinen das Eindringen in fremde Computer. Das ist jedoch nur eine Seite des Hackens. Denn beim Hacken geht es allgemein um Manipulation, oft im Cyberspace. Als Whitehacker zeigen wir, wie gefährlich es ist, zu gutgläubig im Netz unterwegs zu ein. Anders als bei Black-Hackern nutzen wir die gefundenen Schwachstellen jedoch nicht kriminell aus. Stattdessen klären wir die Leute auf, um ein besseres Bewusstsein mit dem Umgang der eigenen Identität zu fördern.
Wo beginnt in unserem Mockumentary-Beispiel die kriminelle Handlung und was passierte?
Von der betroffenen, als Max bezeichneten Person gibt es prinzipiell keine kriminelle Handlung. Der Kriminelle sitzt oft auf der anderen Seite des Bildschirms. Es gibt Kriminelle, die sich gezielt damit beschäftigen, Tatorte zu manipulieren. Dafür gibt es einen Geschäftszweig, der für manche durchaus lukrativ ist.
Ich zeige euch, was passiert ist. Der Kriminelle, ich nenne ihn ab sofort Händler, sucht im Internet ständig nach Personen, die bereit sind, ihr Sperma zu verkaufen. Junge Homosexuelle sind da durchaus eine Zielgruppe. Denn in jungem Alter ist das Geld meist knapp und viele verdienen sich gerne schnell etwas Geld nebenbei. Der Händler hat für den Zweck ein anonymes Postfach angemietet. Zur Zahlung der 100 Euro verwendet er nur Onlinekonten. Bei Anbietern wie Paypal kann man sehr leicht irgendeinen Namen als Kontoinhaber angeben. Dieses muss mit keinerlei eigenen Bankkonten verknüpft sein, um zu funktionieren. Auf dieses Konto kann man von anderen Paypal-Konten Geld senden. Das kann ein Konto sein, das für normale ebay-Verkäufe genutzt wird. Auch da ist der Absender eine fiktive Person. Doch Geld wird wegen der normalen Verkäufe von Privatpersonen auf dieses Konto überwiesen. Und schon sind die Konten gefüllt, das Geld wird auf das richtige Konto transferiert und der anonyme Bezahlvorgang beginnt.
Warum nutzt der Händler nicht Bitcoin zur Zahlung, das als anonym gilt?
Kennt ihr eine junge schwule Person, die je mit Bitcoins Berührungen hatte? Sicherlich wenn dann nur wenige. Es geht hier darum, besonders praktikabel zu agieren. Und Paypal hat sich in den letzten Jahren so stark etabliert, dass diese Zahlungsart als Mittel zum Zweck geworden ist.
Was passiert, nachdem der Händler das Sperma in sein Postfach bekommen hat?
Oft hat der Händler nicht nur eine Person, dessen Sperma er kauft. Das Postfach könnte stets sehr voll sein, gefüllt mit Briefen, die Sperma enthalten. Viele schreiben auch brav ihren Absender auf den Brief, damit der Empfänger auch erkennt, von wem der Brief stammt. Denn die Sperma-Verkäufer sind selbst an einem regelmäßigen Verkauf interessiert, da sich für sie das Geschäft erst einmal lohnt.
Der Händler holt die Sperma-Briefe ab, beschriftet sie und friert sie dann direkt ein. Das Sperma ist hier maximal eine Woche alt. Jetzt kommt aber der nächste kriminelle Schritt: Der weitere Handel mit dem Sperma.
In Untergrundforen oder auch im berüchtigten Darknet kann er nun das Sperma zum Verkauf anbieten, für 1000 Euro je gefülltes Kondom. Sperma der Personen, mit vollständigem Namen, Fotos, Adresse des Wohnortes, dem Alter, manchmal auch mit dem Geburtsdatum und mit sexuellen Vorlieben, je nachdem, welche der Informationen in dem Datingprofil vorhanden sind.
Und das Sperma kaufen dann andere?
Ja, aber nicht weil sie auf das Sperma stehen würden oder einen Fetisch dafür haben. Das Sperma kann verwendet werden, um sexuelle Straftaten zu vertuschen. Denken wir an eine Vergewaltigung. Nachdem der Täter seinen Akt vollzogen hat, hinterlässt er das gekaufte Sperma auf, in der Person oder auf der Kleidung, dem Boden oder wo auch immer. Auch bei Mordfällen kann das der Fall sein. Legt der Kriminelle noch eine weitere Spur, vielleicht ein Foto der Person, der das Sperma real gehört, könnte das die Kriminologen auf eine falsche Fährte bringen.
Dadurch wird der ahnungslose Max zum Täter?
Richtig, wenn die Kriminologen der Spur des Täters folgen, Sperma finden und das auch noch einer Person nachweislich zuordnen können, dann ist es für den Betroffenen nicht trivial, seine Unschuld zu beweisen. Und der Fund von DNA an einem Tatort ist heutzutage ein anerkanntes Beweismittel.
Kann es sein, dass dieses kriminelle Szenarion schon real vorgekommen ist?
Diese Frage kann ich weder mit Ja, noch mit Nein beantworten. Die erhaltenen Nachrichten, die wir in diesem Beitrag veröffentlich haben, sind tatsächlich real und nur ein wenig verändert, um den Adressaten nicht bloßzustellen.
Bekannt wird ein solcher Fall in Gänze sicherlich kaum. Denn die Scham zu veröffentlichen, man verkaufe sein eigenes Sperma, ist einfach zu hoch. Wer möchte schon, dass die Familie, Freunde und Bekannte davon erfahren, dass man sich damit nebenbei eine gute Summe Geld verdient hat; und zwar mit dem Spermaverkauf? Und selbst wenn der Betroffene wenigstens den Ermittlern diese Spur gibt: Dann gibt es immer noch das Finanzamt, dass große Probleme bereiten kann. Denn wer über 400 Euro durch eine selbstständige Tätigkeit (und die liegt hier leider vor) im Jahr verdient, der muss das beim Finanzamt anzeigen. Viele, die auch einfach nur Dienstleistungen wie Camsex vor der Kamera anbieten, vergessen das oft. Ein Teufelskreis, denn bis es zu Straftaten kommt, sind meistens viele Jahre vergangen. Und so spät kann die Anzeige einer gewerblichen Tätigkeit nicht mehr nachgeholt werden.
Vielen Dank an unseren White-Hacker für den faszinierenden Einblick. Wir sind von der Art und Weise, wie kreativ Kriminelle handeln könnten, vollkommen schockiert. Wer von euch oder euren Freunden Sperma zum Privatvergnügen verkauft, sollte sich bewusst sein, welche Folgen das haben könnte.
Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik Mockumentary. Dabei dokumentieren wir mögliche Wege von Kriminellen, wie sie real entstehen könnten. Unseren Recherchen zufolge sind die kriminellen Wege hoffentlich (noch) nicht real passiert. Die Dunkelziffer könnte jedoch anders aussehen. Mit unseren Beiträgen möchten wir dich und deine Freunde sensibilisieren, die Welt mit anderen Augen zu betrachten und kritisch zu hinterfragen. Wenn dir der Beitrag gefällt, teile ihn auch mit deinen Freunden. So könnt Ihr verhindern, selbst zum vermeintlichen Täter zu werden.