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Heterolike: Rassismus unter Schwulen?

Heterolike: Rassismus unter Schwulen?

Heterolike - Ein Kunstbegriff aus der schwulen Szene. Was aber hat es damit auf sich? Eine Kritik an unserer Gesellschaft aus unserer Serie "Wie schwul ist Deutschland?". Dies ist Teil 1.

Wer sich in schwulen sozialen Netzwerken bewegt, wird häufig damit konfrontiert, dass viele neue Leute nur kennenlernen wollen, wenn Sie "heterolike" sind. Oft erfolgt die Aussage, dass sie "tuntiges Verhalten" ablehnen. Aber impliziert das nicht schon eine wirklich negative Wertung gegenüber den Gleichgesinnten? Wir machen den Test und haben die "Heterolike-Suchenden" darauf angesprochen.

Schauen wir uns die Nutzerprofile in verschiedenen schwulen Communities an, begegnet uns immer wieder dieses eine Wort: Heterolike. Man wolle sich nur mit solchen Leuten treffen oder gar mit ihnen kommunizieren. Was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? Der Duden liefert uns hierzu keine Erklärung. Und auch das Lexikon lässt uns im Dunkeln stehen. Somit gab es nur noch einen Weg, um der Bedeutung des Wortes auf den Grund zu gehen. Wir haben die Community einfach mal direkt gefragt, und zwar 100 Personen, die wir direkt mit der Frage konfrontierten "Was bedeutet heterolike für dich?".

Proll

Ein Großteil antwortete uns, dass es sich um "normale" Leute handle, die sie suchen, denen man es nicht sofort ansieht, dass sie schwul sind. Was ist denn bitteschön normal? Dazu haben wir 56 klare Antworten erhalten. Man soll männlich sein, keine Tunte, nicht feminin, keine abgeknickten Handgelenke und keine nasale Sprache haben, kein Handtaschenträger, keine Schwuchtel sein, wie ein Hetero auftreten, keine gezupften Augenbrauen, kein Colliergriff, nicht mit den Händen fuchteln, "nicht mit Gay-Bitches rum rennen", keine Tussi, nicht affektiert sein, kein Gucci besitzen, eben "Normal". Man sollte kein tuntiges Auftreten haben und sich nicht wie eine Tunte benehmen.

Wow, wir waren von der direkten Art der Antworten schockiert. Erkennbar geht es im Allgemeinen zum einen darum, in der Öffentlichkeit anderen seine sexuellen Neigungen als Homosexueller nicht auf dem Serviertablett zu präsentieren, zum anderen geht es um die äußere Erscheinung und um das Auftreten der Personen, welche besonders "männlich" erscheinen sollen. In jeder zweiten Antwort wurde das Wort "tuntig" oder "tuckig" verwendet. Ein eher abwertender Begriff. Und auch Wörter wie Tussi oder Schwuchtel klingen nicht sonderlich besser. Andere bezeichnen nasales Sprechen als krank und unnatürlich. Man solle sich so benehmen, wie man geboren ist.

Das macht uns etwas stutzig. Nasales Sprechen sei krank? Gleich zwei haben uns mit dieser Aussage konfrontiert. Wir fragten die Leute, ob sie sich selbst als heterolike einschätzen würden. Einen davon konnten wir zu einem privaten Telefonat überreden. Gleich bei der Begrüßung kam ein freundliches "Hallöchen" von einer leichten Stimme. Es war jedoch ganz das Gegenteil, was wir erwartet hatten. Nach den eigenen Aussagen erwarteten wir eine rauchige, tiefe Stimme. Im Grunde genommen wussten wir nicht, ob wir nun tatsächlich mit einem Mann oder einer Frau sprechen. Paradox, wo er sich doch selbst als vollkommen "heterolike" bezeichnet. Es mag ein Einzelfall sein, doch es hat uns nachdenklich eingestimmt.

Heterolike

Wie ein Hetero aussehen

Blicken wir auf das Äußerliche. Die Befürworter der "Heterolike"-Definition sprechen oft davon, dass eine Person wie ein Hetero aussehen soll. Dann fragen wir doch einfach mal einen Hetero, wie der typische Hetero aussieht, oder? Die Antwort ist natürlich nicht sonderlich aufregend: "Es gibt kein typisches Hetero-Aussehen. Dafür sind wir Menschen einfach zu verschieden. Und selbst wer sich tuckig verhält, kann trotzdem metrosexuell oder was auch immer sein. Das Aussehen eines Heteros als Eigenschaft festzulegen, ist vollkommener Schwachsinn".

Schauen wir uns die erhaltenen Antworten weiter an. Ein Drittel der Befragten bezeichnet den Begriff "Heterolike" als dämlich, dumm und überflüssig. "Heterolike ist ein dämlicher Begriff, den irgendwelche verklemmten und untoleranten Menschen erfunden haben, um sich noch mehr von sich selber und von allen abzugrenzen. Es ist eine Kategorie, die nicht existiert". Das Wort ist "albern, weil sich Schwule dadurch selbst diskriminieren, jedenfalls so, wie der Begriff in den Profilen oft gebraucht wird".

Wir wissen, dass es "Männer gibt, die sehr effeminiert sind und andere die, sehr maskulin auftreten". Ist das aber ein Grund, andere direkt zu diskriminieren? "Typen versuchen, männlicher als gänzlich schwule Männer rüberzukommen. Ich mag es nicht, wenn sich Männer damit "bewerben". In dem Moment sind sie nämlich genauso schwul wie alle anderen auch", so der Beitrag eines Nutzers.

"Die Tatsache, dass ich ein Wort verwende, das sich gegen die eigene sexuelle Orientierung wendet (hetero ist nun mal nicht homo) - hat zwei Konsequenzen: Zum einen steckt da ein sehr undurchdachtes, sehr klischeebeladenes und gleichzeitig undifferenziertes Bild des Schwulseins dahinter (von tuntig bis hart, von Stöckelschuhen bis Leder); und wenn man dieses Bild ablehnt (egal welches), dann offenbart das - zweitens - eine problematische Einstellung zum eigenen Schwulsein! Das Schwulsein ist genauso komplex und vielschichtig wie das Heterosein. Warum also einen Begriff verwenden, der eindeutig "den anderen" gehört und sich auf deren sexuelle Orientierung bezieht? Das ergibt keinen Sinn. Die Leute verwenden diesen Begriff diffamierend und gedankenlos".

Ein anderer Gegner des Worts argumentiert: "Heterolike ist für mich ein Mann, der Sex mit einer Frau hat. Das zeichnet eben Heterosexualität aus. Wenn sich ein schwuler Mann so tituliert, ist das für mich paradox". "Ich f**** zwar Männer, aber es darf mir keiner ansehen oder wie? Ich kapier es nicht". Ein weiterer Beitrag: "Heterolike ist nur ein anderes Wort für Selbsthass oder das man sich nicht so akzeptiert wie man ist".

Schwulsein als Drama-Queen

Problem erkannt?

Es gibt in der schwulen Gesellschaft offenbar tatsächlich ein Problem, mit dem eigenen Schwulsein. Auch wenn es die "Heterolikes" nicht offen zugeben würden, sie verstecken ihre eigene Neigung zur schwulen Identität, wollen sich der "Allgemeinheit anpassen". Dass jeder einen anderen Geschmack hat und nicht jeder einen femininen Freund haben möchte, das brauchen wir nicht zu thematisieren, denn das ist nichts Ungewöhnliches. Wir sind nun mal alle sehr verschieden. Doch einen pauschalen Stempel mit dem Namen "Heterolike" zu deklarieren, ist das nicht ein wenig überflüssig? Gleiches gilt für die diffamierende Wortwahl "Tunte", "Tussi" oder "Schwuchtel". Muss man diese doch eher beleidigenden Wörter verwenden, um sich selbst von der Masse als "Heterolike" abzuheben? Wohl eher nicht. Wer keine femininen Personen als Freunde haben möchte, der kann das freundlich durch die Blume formulieren, ohne eine Gemeinschaft zu beleidigen. Und: Es gibt genauso feminine Männer, die vollkommen heterosexuell sind. Dass ein Begriff aus der Sexualität für das Aussehen und Verhalten von Personen übernommen wird, ist absurd.

schwul?

Homolike?

Wie nennt Ihr denn einen Hetero, der sich ein wenig feminin, oder euren Aussagen nach "tuntig" verhält? Ist der dann "Homolike"? Auch hier gibt es nicht einmal eine Definition aus dem Duden. Wir sehen, wie schwachsinnig es ist, das Verhalten auf die Sexualität zu projizieren.

Schwulsein hat nichts mit "tuntigem Verhalten" zu tun, es ist einfach nur die Neigung zu Gleichgeschlechtlichen.

Der passive Heterolike

Wir fragten die Beteiligten, ob sie sich selbst als "Heterolike" bezeichnen würden. 14 haben die Frage direkt mit "Ja" beantwortet. Da der Begriff des Heteros sich allgegenwärtig auf deren Sexualität bezieht, haben wir die Personen nach ihrer Sexualität gefragt. Das Bild, das wir bis zu diesem Zeitpunkt im Kopf hatten, wäre der sexuell aktive Macho, der ausschließlich aktiv ist und sich auch mal einen blasen lässt. Daher fragten wir die 14 Personen, ob sie denn beim Sex ausschließlich aktiv sind und anderen Gays natürlich nie einen blasen würden, da das ja überhaupt nicht "normal" wäre. 71% antworteten uns, dass sie beim Sex selbstverständlich auch passiv sind und auch beim Oralverkehr die aktive Rolle übernehmen würden. Einer teilte uns mit, dass unsere Frage mit dem Thema "heterolike" überhaupt nichts zu tun habe. Wir überlassen die Meinung dem Leser.

Fazit

Es gibt ein paradoxes Problem zu einem Begriff, der sich in der homosexuellen Welt zwar etabliert, dennoch keine eindeutige Bedeutung hat. Jeder definiert das Wort anders. Entweder über das Aussehen oder über feminines Verhalten. Der Begriff "Heterolike" wird heutzutage in der Regel durch sehr diffamierende und abwertende Etiketten wie "tuntig" oder "Schwuchtel" beschrieben, von welchen sich die "Heterolikes" distanzieren. Dass diese Ablehnung eine starke Form der Homophobie und Diskriminierung gegenüber Schwulen ist, brauchen wir gar nicht zu diskutieren.

Liebe Heterolike-Gemeinde: Ihr seid für eine offene Gesellschaft, ohne Diskriminierung von Homosexualität. Wenn Ihr aber selbst nicht akzeptiert, dass es viele verschiedene Arten schwuler Charaktere gibt, wie soll die Gesellschaft euch alle akzeptieren? Ihr diskriminiert einen Teil der schwulen Gemeinde, akzeptiert das Schwulsein nicht und wollt es keineswegs der Öffentlichkeit zeigen. Ihr versteckt euch lieber, "passt euch der Gesellschaft an" und wollt bloß nichts mit den "anderen Schwulen" zu tun haben. Tja, liebe Freunde, das ist genau das, wodurch ihr euch selbst diskriminiert. Denn Ihr gehört dazu. Was immer noch viele in Deutschland von euch halten, ist das schwule Bild, dass ihr denen zeigt. Und wenn Ihr euch versteckt, zeigt Ihr anderen nicht, dass Schwulsein etwas ganz normales ist. Denn schwul bleibt schwul, denkt mal darüber nach.

Fakten der Studie

Es wurden 100 Personen auf das Thema "Heterolike" angesprochen. 90 davon haben uns eine Antwort gegeben. 63% befürworten den Begriff, 32% lehnen den Begriff ab und 5% können mit dem Wort nichts anfangen.